
von Oswald Prucker
Es gibt kein kommunalpolitisches Thema, auf das ich im Kreis mehr angesprochen werde, als die Grundsteuer C, die wir in Merdingen ab diesem Jahr eingeführt haben. Das haben in Baden-Württemberg sonst nur Tübingen und zwei, drei kleinere Gemeinden gemacht.
Ich will deshalb aufschreiben, wie wir vorgegangen sind und auch alle entsprechenden Dokumente aus den jeweiligen Sitzungen hier verlinken. Tut mir leid. Das wird ein bisschen länger ...
1. Grundlegende Erläuterungen zur Grundsteuer C
Die Grundsteuer C ergänzt die Grundsteuer B, die auf bebaute Grundstücke, die nicht land- und forstwirtschaftlich genutzt werden, erhoben wird. Sie wird auf unbebaute aber baureife Grundstücke erhoben. Ziel ist es, die Eigentümer der Grundstücke zum Bauen zu bringen und somit Baulücken zu schließen. Es geht also um Innenentwicklung.
Damit so was funktioniert muss die Grundsteuer C natürlich deutlich über der Grundsteuer B liegen. Wir haben in Merdingen einen doppelt so hohen Hebesatz beschlossen: 480 von Hundert im Vergleich zu 240. Das ist nicht wenig Geld für die Betroffenen.
Geregelt wird die Grundsteuer C im Landesgrundsteuergesetz in §50a – Gesonderter Hebesatz für baureife Grundstücke.
In diesem Paragraphen steht eigentlich in sehr verständlicher Sprache, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und was zu beschließen ist. Die wichtigsten Punkte:
- Es braucht Grundstücke, die „nach Lage, Form und Größe und ihrem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaut werden könnten.“
- Es müssen städtebauliche Gründe für die Grundsteuer C vorliegen. Dazu zählen z.B. das Ziel der Nachverdichtung und der Stärkung der Innenentwicklung.
- In größeren Orten ist das ganze ggf. auf bestimmte Gemeindeteile zu beschränken. Merdingen ist klein, quadratisch, praktisch, gut und da war das irrelevant.
- Die betroffenen Grundstücke sind einzeln zu benennen und in einer Allgemeinverfügung bekannt zu geben. Darin sind auch die o.g. städtebaulichen Gründe zu erläutern. Diese Allgemeinverfügung ist jedes Jahr zu aktualisieren.
Die Grundsteuer C erzeugt also einen nicht unerheblichen Aufwand, der sich jährlich wiederholt. Es lohnt sich also nur, wenn es auch wirklich viele baureife Grundstücke gibt. Mit lohnen meine ich dabei eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Klar erzielt man mit dieser Steuer als Gemeinde höhere Einnahmen. In unserem Fall sind das aber gerade mal ca. 20.000 €. Das ist in einem Haushalt von rund 8 Millionen Euro wirklich nicht kriegsentscheidend.
Der Aufwand lohnt sich bei uns, weil wir im Ort 35 baureife Grundstücke haben, die alle seit über 20 Jahren zurückgehalten werden. Manchmal verwende ich dabei den Spruch: „Diese Grundstücke werden für Enkel aufgehoben, von Menschen, die selbst schon diese Enkel waren.“ und so ganz falsch ist der in einigen Fällen tatsächlich nicht.
2. Grundsatzbeschluss des Gemeinderats
In Merdingen begann der Weg zur Grundsteuer C über ein Jahr vor der tatsächlichen Einführung in der Dezember-Sitzung 2023 mit einem Grundsatzbeschluss. In der Vorlage zu diesem Punkt stellte Bürgermeister Rupp dar, dass Merdingen 36 baureife Grundstücke gäbe, die trotz der damals wirklich günstigen Zinsen nicht bebaut sind. Er rechnete vor, dass bei einer üblichen Bebauung und den ortstypischen vier Bewohnern je Grundstück rund 144 Einwohner mehr in Merdingen leben könnten. Damit entgingen Merdingen jährlich Mittel aus dem Finanzausgleich für Kommunen in Höhe von über 200.000 € (1.500 €/Einwohner).
Ebenso stellte er für verschiedene Grundstücksgrößen und einem angenommenen Hebesatz von 500% Modellrechnungen vor, was das an Grundsteuern für die Eigentümer bedeuten würde. Ich fand das sehr hilfreich, weil es einem ein Gefühl für die Größenordnung der zusätzlichen Belastung der Betroffenen gibt.
Letztlich folgten wir dem Beschlussvorschlag der Verwaltung. Hier der Wortlaut:
Die Gemeindeverwaltung wir beauftragt:
- Bis 01.03.2024 die für eine Regelung nach § 55a LGrStG in Frage kommenden Grundstücke zu ermitteln.
- Die Eigentümer sind zum geplanten Hebesatz bis spätestens 01.06.2024 mit einer Frist von 6 Wochen anzuhören. Den Eigentümern sind die die jeweilige jährliche Grundsteuerschuld bei einem geplanten Hebesatz von 500 Punkten mitzuteilen.
- Über das Ergebnis der Anhörung ist spätestens bis 30.09.2024 im Gemeinderat zu berichten und einen Vorschlag für das weitere Vorgehen zu unterbreiten.
- Mit anderen Worten: Die Eigentümer der Grundstücke wurden mit einem großen zeitlichen Vorlauf auf die Möglichkeit einer Grundsteuer C vorbereitet. Sie konnten sich dazu äußern und hatten auch Zeit, sich zu überlegen, ob sie das Grundstück nicht doch lieber verkaufen wollen oder es bebauen.
Ich finde das sehr fair und kann allen Gemeinden nur empfehlen, das ggf. auch so zu machen.
3. Rückmeldungen der betroffenen Grundstückseigentümer – Beschluss zur Einführung der Grundsteuer C
Nach einer Fristverlängerung für die Rückmeldungen verschob sich auch der Bericht des Bürgermeisters in die Oktober-Sitzung. Ganze drei betroffene Eigentümer haben sich gemeldet und die Gründe für die Ablehnung der Grundsteuer C waren bei allen dreien nach meiner Meinung recht schwach und wenig stichhaltig. Kann im unten verlinkten Dokument nachgelesen werden.
In dieser Sitzung haben wir die Einführung der Grundsteuer C beschlossen und die Verwaltung beauftragt, die dafür nötige Allgemeinverfügung vorzubereiten (siehe oben). Lediglich der Hebesatz wurde damals noch nicht beschlossen, weil wir zu diesem Zeitpunkt auch bei den Grundsteuern A und B noch nicht so weit waren.
Beschluss im kurzen und knappen Wortlaut:
Die Grundsteuer C wird eingeführt. Die Verwaltung wird mit der Vorbereitung einer Allgemeinverfügung beauftragt.
4. Satzungsbeschluss zur Grundsteuer C
Kurz vor Weihnachten 2024 haben wir dann die „Satzung über die Festsetzung eines gesonderten Hebesatzes für baureife Grundstücke (Hebesatzsatzung „Grundsteuer C“)“ beschlossen und den Hebesatz auf 480% festgelegt.
Bis wir in dieser Sitzung diesen Beschluss geschafft haben, ging es wirklich hoch her. Ich will das alles nicht hier nacherzählen – am Ende gab es den Beschluss und dabei ist es auch völlig in Ordnung, dass man den Eigentümern einen öffentlich-rechtlichen Vertrag anbietet, mit dem sie sich zur Bebauung in einer bestimmten Zeit verpflichten. In dieser Zeit wird die Steuer ausgesetzt. Wenn das rechtlich überhaupt möglich ist. Das ist bis heute nicht klar.
5. Beschluss der Allgemeinverfügung
Der bisherige Abschluss des Themas war dann der Beschluss der Allgemeinverfügung in der alle betroffenen Grundstücke aufgelistet und die Gründe für die Einführung der Steuer genau beschrieben werden.
6. Fazit
Es war ein langer Weg und es gab auch sehr kritische Stimmen im Gemeinderat. Die meiste Kritik bezog sich einfach darauf, dass wir natürlich sehr vorpreschen und uns der Gefahr aussetzen vor Gericht zurückgepfiffen zu werden. Das kann passieren aber angesichts der Knappheit an Wohnraum ist das ein Risiko, das ich gerne eingehe. Wir werden sehen.
Hinweis zu den Links: Die verlinkten Dokumente zur Merdingen stammen entweder vom öffentlich zugänglichen Ratsinfosystem der Gemeinde (Gemeinderatsvorlagen und Protokolle) oder von der Gemeindehomepage (Satzung, Allgemeinverfügung). Da sich letztere ändern können und werden, werden die Links über die Homepage irgendwann nicht mehr funktionieren.